Schätze im Rundfunkarchiv




DRA in Babelsberg | Foto: Wolfhard Besser

Einst in der Nalepastraße produziert – jetzt in Babelsberg archiviert

Das Septemberheft 2023 „jot.w.d.“ erinnerte auf Seite 16 an ein denkwürdiges Ereignis vor 100 Jahren – an die Gründung der ersten deutschen Radiostation am 29. Oktober. Und zwar in Berlin. In den darauffolgenden Monaten begannen weitere Rundfunkstationen ihre Sendetätigkeit – wie zum Beispiel der Mitteldeutsche Rundfunk in Leipzig am 1. März 1924. In diesen 100 Jahren haben sich in den Archiven der deutschen Rundfunkanstalten viele wertvolle Musikaufnahmen, historische Tondokumente und andere Archivalien angesammelt; auch im DDR-Rundfunk in der Nalepastraße. Was ist aus den umfangreichen Beständen des DDR-Rundfunks nach dessen erzwungener Abwicklung Ende Dezember 1991 geworden?

Die „Abwickler“ gründeten 1992 eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Deutschen Rundfunkarchives Frankfurt/Main (DRA) – eine Stiftung der ARD -, der auch kompetente ehemalige Mitarbeiter des DDR-Rundfunks und Fernsehens angehörten. Sie sichteten die Bestände, sicherten die allumfassenden Dokumente, die von politischer und kultureller Bedeutung waren und sind. In der Nalepastraße lagerten in den Archiven Materialien und Dokumente vom Beginn des deutschen Rundfunks 1923 bis zum Sendeschluss. Dazu wurde die Servicegesellschaft S.A.M. Archive und Medien gGmbH gebildet – ein ABM-Projekt. Mitarbeiter waren vor allem ehemalige Redakteure, Archivare und technische Angestellte aus der Nalepastraße und dem DFF. Drei Jahre dauerte es bis die erhaltenswerten Produktionen wie Musikaufnahmen aller Genres, Dokumentaraufzeichnung aus Politik, Kultur, Sport, Wissenschaft gesichtet waren. Dazu kam Schriftgut, das die Entwicklung und das politische Wirken der beiden DDR-Medien belegten. Diese umfangreichen Archivalien wurden in einer Datenbank erfasst. Damit sie fachgerecht aufbewahrt werden, gründete das DRA eine Zweigstelle Ost auf dem Gelände des damaligen Ostdeutschen Rundfunks Brandenburg (ORB) in Potsdam-Babelsberg. Sie erfüllt alle erforderlichen Bedingungen eines modernen Archives.

In den klimatisierten Räumen sind 350.000 Rundfunk- und Fernsehproduktionen sowie über 100.000 Tonbänder aus den Jahren 1945-1991 eingelagert sowie ein Archiv mit 36.000 Geräuschen, die sich im Laufe dieser Jahre angesammelt hatten und vor allem für Hörspiele eingesetzt wurden. Zu den Beständen gehören auch zeitgeschichtliche Tondokumente, die vor allem bei Historikern und Dokumentaristen gefragt sind, wenn es um Hintergründe der DDR-Geschichte geht. Zu den Beständen zählen des Weiteren größere Musikereignisse der DDR, Uraufführungen musikalischer und literarischer Werke, Wettbewerbe und Festivals. Zudem sind 23.000 Hörspiele archiviert, die seit 1945 vom damaligen Berliner Rundfunk in der Masurenallee bzw. ab 1956 in der Nalepastraße produziert worden sind. Gesichert wurden zudem auch die Geschäftsunterlagen des Staatlichen Rundfunks und des DFF, die allerdings in das Bundesarchiv übernommen wurden. Im DRA-Ost sind auch weitere Dokumente des DDR-Rundfunks eingelagert wie Manuskripte, Drehbücher, Ergebnisse der Zuschauerforschung sowie Mitschnitte von Originalsendungen.

Sie sind allesamt eine unschätzbare Informationsquelle für die Rundfunk- und Zeitgeschichte der DDR, Grundlage zur wissenschaftlichen Forschung. Dazu kommen fünf Millionen Zeitungsausschnitte aus allen Sachgebieten ost- und westdeutscher Zeitungen. Sie dienten einst als Informationsquelle für die Redakteure des DDR-Rundfunks.

Wesentlich mehr Platz nehmen die archivierten Produktionen des Deutschen Fernsehfunks ein. Es sind insgesamt 100.000 Sendungen und 60.000 Sujets in über 40.000 Stunden. Aufgeschlüsselt heißt das: Beiträge und Mitschnitte der „Aktuellen Kamera“, politischer Magazine (Prisma, Schwarzer Kanal/ELF 99/Dokumentationen usw.) sowie Unterhaltungssendungen (Da lacht der Bär /Ein Kessel Buntes usw.). Nicht zu vergessen die Abendgrüße des Kinderfernsehens.

All diese Archivalien sind ein unschätzbarer Fundus für Dokumentationen von Funk und Fernsehen, Unterhaltungssendungen, die vor allem vom rbb und MDR für Rückblicke genutzt werden. Für Rundfunk- und Fernsehstationen der ARD sind die Dokumente kostenlos zu beziehen. Auch der Einsatz einst in der Nalepastraße produzierte Hörspiele, Musikstücke aller Genres, Fernsehfilme des DFF ins gegenwärtige Programm ist eine günstige Variante für den rbb und den MDR. Die vor 50, 60 Jahren produzierten Fernsehfilme sind mittels Digitalisierung auf den neuesten Stand der Bild- und Tonqualität gebracht worden. Hörspiele aus der Nalepastraße sind ab und zu Bestandteil der Radio-Kulturprogramme von rbb und MDR. Aber auch Privatpersonen ist es möglich, Mitschnitte von Funk und Fernsehen der DDR auf CD für den Privatgebrauch zu beziehen gegen ein entsprechendes Entgelt, das allerdings etwas üppig ist. Voraussetzung dafür: Man muss den Titel der einstigen Sendung kennen und das Sendedatum. Nicht alle Wünsche lassen sich erfüllen, denn es gibt auch Lücken im Bestand.

Die hier genannten Aktivitäten und Aufgaben des DRA können nicht alle aufgezählt werden. Das Archiv ist unschätzbare Quelle für die wissenschaftliche Forschung und Beurteilung der DDR-Entwicklung. Für ältere Mitbürger können die in gegenwärtige Radio- bzw. Fernsehprogramme eingesetzten Aufnahmen von einst, - Fernsehfilme, Hörspiele. Musikstücke vom Schlager bis zur Klassik -, eine Erinnerung an ihre Jugendzeit sein.

Ein Beitrag von Wolfhard Besser/ jot.w.d. – 2024 3/4)

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