Baudenkmal




Das in seiner ursprünglichen Form erhaltene Rundfunkzentrum gehört bis heute zu den herausragenden Werken der DDR-Baukunst und steht als Kulturdenkmal-Unikat unter Denkmalschutz. Laut Überlieferungen einiger Zeitzeug:innen waren für die Gesamtkonzeption des Gebäudeareals der Chefingenieur Gerhard Probst zusammen mit Franz Ehrlich - Architekt und von 1927 bis 1931 Studierender am Bauhaus - verantwortlich. Für die bau- und raumaktustische Konzeption waren der leitende Akustiker Dr. Ing. Lothar Keibs und die wissenschaftliche Mitarbeiterin Gisela Herzog zuständig. Sie verantwortete alle Berechnungen, Messungen und die Bauüberwachung. Ihrer Arbeit ist die weltweit geschätzte Akustik der Aufnahmesäle und-studios zu verdanken. Mehr Details zum Thema bietet das außerwöhnliche Buch von Gerhard Steinke und Gisela Herzog u. a.: Der Raum ist das Kleid der Musik || Musikprofis zur Akustik


Alte Fotodokumente aus der Zeit VOR 2015: Keshet Geschäftsführungs GmbH & Co. Rundfunk-Zentrum Berlin KG


Die einzelnen Gebäudeteile des ehemaligen DDR-Rundfunkzentrums Nalepastraße, die durch unterschiedlich gestaltete, fast brückenartige und teils von Säulen getragenen Übergänge alle miteinander verbunden sind, reihen sich um einen sehr dominant wirkenden Turm des Hauptgebäudes, den so genannten Block A. Siehe auch GRAFIK auf der Website des heutigen Funkhauses Berlin oder hier auf dieser Online-Präsenz unter Momentaufnahmen | 50er Jahre

Was Besuchende vor Ort mitunter verwirrt ist die Tatsache, dass der Architekt Franz Ehrlich damals auf repräsentative Auffahrten und Zugänge verzichtete. Der Eingang zum Foyer des so gewaltigen Produktionskomplexes B befindet sich beispielsweise völlig versteckt seitlich davon.

Als Reminiszenz an das Bauhaus ist der verglaste und lichtdurchflutete Bogengang mit seinen großen Stahlfenstern im Erdgeschoss seitlich zu sehen. Entgegen gesetzt davon waren damals von einem inneren Bogengang aus die technischen Räume für die Produktionen des künstlerischen Worts, für Hörspiel- und Feature-Produktionen, erreichbar.

Bis heute scheint ebenfalls zu überraschen, dass Franz Ehrlich in seiner architektonischen Gestaltung des einstigen DDR-Rundfunkzentrums an einer modernen Grundhaltung festhielt, die so gar nicht den damals üblichen stalinistischen Baudoktrin entsprach. Stattdessen folgte er der weit verbreiteten Strömung in der Baukunst zwischen zwei Weltkriegen.



Am 10. Februar 1956 konnte der Produktionskomplex B mit seinen acht „inneren“ Häusern, zu denen vier Aufnahmesälen und zwei großen Hörspielstudios gehören, seiner Bestimmung übergeben werden. Jedes der trapezförmigen Studios hat eigene Fundamente, eigene Wände, eigene Dächer, wodurch die Schallwellenübertragung von einem zum anderen Raum verhindert werden, aber dadurch auch Aufnahmen von der Außenwelt völlig abgeschirmt bleiben. Zudem ergeben die unterschiedlich großen Studios mit veränderlichen Wänden und Bodenbelägen sowie ausgeklügelten Reflexionswinkeln durch nicht rechteckige Grundrisse eine Vielzahl natürlicher akustischer Räume. Zur Verdeutlichung eine sensitiv-Collage mit mehren Bildern und Collagen:


Hörspielkomplex H1

Hörspielkomplex 2 | H2

Studio 4 | Saal 4

Studio 3 | Saal 3

Saal 2

Saal 1

Foyer | Produktionskomplex B

1957 kam ein kurzer DEFA-Dokumentarfilm in die DDR-Kinos mit Hauptaugenmerk auf den Produktionskomplex B mit seinen akustisch einzigartigen Aufnahmesälen für Musikproduktionen sowie Studios für Produktionen des künstlerisches Wortes. Aus der filmischen Dokumentation "Synthese" drei Zitate:

"Linien, Flächen, ein Raum. Im Raum der Mensch. Ist der Raum den Bedürfnissen des Menschen angepasst und ist er dennoch schön - Zweckmäßigkeit und Schönheit waren gleicherweise bestimmend für die Gestaltung des Rundfunkhauses in Berlin."

"Immer setzt die Baukunst das Bedürfnis am Bauwerk voraus. Gesellschaftliche Notwendigkeit und technische Funktionen stehen am Beginn des Bauens. Der Architekt setzt sie um in künstlerisches Maß."

"Wenn der Mensch seine schöpferischen Qualitäten frei im Raum entfalten kann, wenn er sehend und abschreitend den Raum erlebt, dann ist das Kunstwerk geglückt. Dann ist die Synthese gelungen." Details zum Film hier ...


Es sei noch angemerkt, dass im Oktober 1957 auch die Orgel im großen Aufnahmesaal eingeweiht werden konnte. Erbaut wurde sie von Hans Henny Jahnn, einem Mann, der nicht nur Orgeln baute oder als Musikverleger tätig war, sondern darüber hinaus auch noch als Schriftsteller und politischer Publizist agierte.

Siehe immer auch: Momentaufnahmen 50er Jahre



Auch wenn die Überschrift des folgenden Beitrags von Wolfhard Besser auf den ersten Blick irritieren mag: richtig bleibt, dass sich Franz Ehrlich als Bauhausschüler natürlich vom Leitbild des Bauhauses leiten ließ:



Regina Kuschs und Andreas Beckmanns Interesse am Bauhausschüler Franz Ehrlich mündete bereits vor Jahren in einem Feature. Die Radiodokumentation mit Stimmen von Zeitzeugen wurde erstmals am 7. November 2014, ein weiteres Mal am 4. Mai 2018 vom Deutschlandfunk ausgestrahlt. Nachzuhören ist das Feature inzwischen auf der Website des Senders: Die fantastische Karriere des Architekten Franz Ehrlich | Bauhaus, Buchenwald und Baudenkmäler

Ergänzend dazu sei der Hinweis auf das Buch "Gefangen in der Titotalitätsmaschine" gestattet, welches 2022 beim Suhrkamp-Verlag erschien. Auch darin begeben sich der Designtheoretiker Friedrich von Borries und der Historiker Jens-Uwe Fischer auf die Spuren des Bauhäuslers Franz Ehrlich. Siehe auch LeseTipps auf dieser Website ...




Im Funkhaus Berlin waren und sind vereinzelt sogar noch von Franz Ehrlich entworfene Möbel zu entdecken; sicherlich aber Einbauten und Wandvertäfelungen aus den Werkstätten Hellerau. In dem Zusammenhang ein kleiner detektor.fm-HörTipp. Außerdem die wichtige Anmerkung: der rote Sessel, in dem die Protagonistin eines 6-Minuten-Videos für ein Interview 2019 platziert wurde, gehörte NICHT zum Inventar des ehemaligen DDR-Rundfunkzentrums. Weblink zur aktuellen Funkhaus-Galerie






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